Lügengeschichte oder Verleumdung?
- Eine Reaktion auf den Artikel "Eine wahre Lügengeschichte" von Klaus Hoyer -

In der letzten GZ erschien ein Text von Herrn Hoyer, in dem er in seinem Text über eine Äusserung im Buch "Gesichter des Erzgebirges" berichtet. Er verwies dort darauf, dass die Erzählungen des dort befragten Mannes (den ich sehr gut kenne - nennen wir ihn ab jetzt "den Lehrer") allesamt eine Lüge seien und wirft mit rechtlich einwandfreien Verleumdungen um sich (er nennt den Lehrer zwar nicht persönlich beim Namen, aber wenn man die Seite im erwähnten Buch aufschlägt, springt einem der Name förmlich entgegen!)

Weil der Lehrer eine bekannte Person hier und drüben ist und sich in der Sudetendeutschen Frage sehr engagiert, möchte ich herausfinden, wer von den beiden hier die Wahrheit spricht.

Um trotz meiner guten Freundschaft zum Lehrer objektiv zu bleiben, besorgte ich mir das oben genannte Buch, um zu überprüfen, ob Herr Hoyer mit seinen sehr provokanten Aussagen Recht hat.

Glücklicherweise bin ich auch an den in Herrn Hoyers Bericht erwähnten Kritikbrief an den Autoren des Buches - Herrn Miksicek gekommen. Die Beschwerde über den Lehrer erstreckt sich über ganze (!) 10 Punkte.

Beim ersten Durchlesen fiel mir folgendes auf: Der Lehrer beschreibt die Ereignisse im Grenzgebiet in der Sicht seiner Großeltern und Eltern sowie sich selbst. Die Beschreibung dreht sich um Fragen rund um die Sudetendeutschen, die in der damaligen Tschechoslowakei blieben - die Fragen stellte der Autor des Buches selbst - Herr Miksicek.

Auf den ersten Blick konnte ich nichts anderes feststellen, als das der Lehrer lediglich beschreibt, was er selbst erlebt hat oder von seiner Familie erzählt bekam. Die Aussagen beziehen sich meistens auf das Leben in Silberbach vor und nach dem Krieg und die Stellung der Deutschen in der Tschechoslowakei.

Es ist mir persönlich bekannt, dass der Lehrer über ein hohes Wissensniveau besitzt - zur Zeit arbeitet er zum Beispiel mit den Gelehrten aus Oxford an der Geschichte des Messingwerkes. Inwieweit sich Herr Hoyer in der Materie auskennt, war mir nicht bekannt, doch die Ergebnisse meiner Analyse ließen tief blicken. Um den Lesern ein komplettes Bild zu vermitteln, möchte ich Auszüge aus dem - meiner Meinung nach - Hetzbrief - an Herrn Miksicek über den Lehrer beschreiben und diese analysieren.

Bemerkenswert ist, dass sich Herr Hoyer nicht auf die Aussagen des Lehrers konzentriert sondern sich selbst diese Fragen durch seine Interpretation umformt und diese dann auch selbst beantwortet.



These 1: Der Lehrer möchte den Russen das Massaker in Schönlind anlasten, es waren aber die tschechischen Nationalgarden

Der Lehrer schreibt: "... in Schönlind, wo zwei Angehörige der (tschechischen) Revolutionären Garde ... sich nachts aus Versehen gegenseitig erschossen. Die Russen untersuchten diesen Fall... Da nahmen sie zehn Männer aus Schönlind und erschossen sie...

Ich kenne die Geschichte vom Lehrer selbst - wir machten einen Ausflug zu diesem Denkmal. Daher weiß ich, dass Punkt 1 lediglich ein Formulierungsfehler ist. Es sollte heißen: Die Russen untersuchten diesen Fall. Da nahmen die Mitglieder der Garde ... - hier fehlt einfach der Rückbezug auf die Garde, was zugegebenermaßen - jemanden auf die falsche Fährte (dass es die Russen waren) locken könnte. Gut.

These 2: Der Lehrer meint, dass es bis heute ein Denkmal in Schönlind gibt. Der Außenstehende muss denken, dass man den unschuldigen Märtyrern in der rechtlosen Zeit ein Denkmal errichtete.

Das kann ich wirklich nicht herauslesen - dies klingt für mich nach einer sehr freien Interpretation seitens Herrn Hoyer. Der Lehrer erklärte lediglich als Randnotiz, dass bis zum heutigen Tag ein Denkmal in Schönlind steht und erwähnt mit keiner Silbe, dass das Denkmal in einer rechtlosen Zeit aufgestellt wurde.


These 3: Der Interviewführer spricht von der Aussiedlung - auch der Lehrer verharmlost die Vertreibung durch die weitere Verwendung dieses Begriffes.

Wieder einmal kann man auch in alles sehr viel selbst interpretieren. Der Lehrer hat lediglich den gleichen Begriff verwendet, weil dies nun einmal in einer Befragung so gemacht wird. Woher will Herr Hoyer wissen, was sich der Lehrer dabei dachte? Dies sind nur reine - meiner Meinung nach völlig falsche - Vermutungen.

 

These 4: Völlig Fehl am Platz ist die Beschreibung der Demolierung der Anger Villa aus reiner Freude
Herr Hoyer hat wohl den Sinn des Buches, das er sich besorgt hatte nicht verstanden. Es geht darum, was die "Gesichter des Erzgebirges" - eben die dort lebenden Personen erlebt haben. Warum sollte er diese interessante - wenn auch traurige - Tatsache verschweigen? Herr Hoyer bezichtigt den Lehrer auf der einen Seite die schlechten Seiten zu Verschweigen und nun passt ihm die Enthüllung dieser Wahrheit plötzlich auch nicht? Verstehe, wer wolle, ich jedenfalls nicht.

These 5: Der Lehrer beschreibt das Verhältnis zwischen Sachsen und Leuten jenseits der Grenze als völlig falsch. Seine Behauptungen, dass das Verhältnis nicht so gut war entbehrt jeder Grundlage.
Ich stimme lediglich zu, dass man es nicht auf jeden Sachsen oder Sudetendeutschen beziehen kann, aber ich habe das, was der Lehrer behauptet von jedem alten Silberbacher bestätigt bekommen. Welch bessere Grundlage gibt es als Erlebnisberichte von Menschen, die das Verhältnis noch miterlebt hatten? Es gibt ja heute noch ein ähnliches Verhältnis zwischen Bayern und Sachsen, was ich als Sohn eines Sudetendeutschen und einer alteingesessenen Oberpfälzerin selbst bestätigen kann.

These 6 (meine persönliche Lieblingsthese, da ich beim Lesen schon schmunzeln musste, man möge es mir verzeihen): Die Aussage des Lehrers, dass erst nach der Mobilisierung die Dörfer nach Deutschland nahezu ausgesiedelt wurden kann Herr Hoyer nicht so stehen lassen.

Hier hat sich aber - so finde ich - wirklich eine große Portion Unwissenheit eingeschlichen. Er schrieb, man müsse es 5x lesen, um dies zu verstehen. Es sieht so aus als könne er mit dem Begriff der Mobilisierung nicht viel anfangen, denn er schob sie in das Jahr 1945 und weiter hinaus. Er verstand die Mobilisierung als die Umwandlung der damaligen Tschechei in das kommunistische Regime und die Vertreibung der Deutschen. Dabei erzählt doch der Lehrer davon, dass nach der Mobilisierung im Jahr 1938 (!!!) ganze Landstriche vor Furcht vor den Tschechen temporär nach Deutschland flohen (so auch übrigens die Mutter des Lehrers, wie ich erfahren habe!). Zitat des Lehrers zur Begriffsklärung der Mobilisierung: Das lernt man in der 3. Klasse Bürgerschule!


These 7: Der Lehrer saugt sich Zahlen aus den Fingern (z. B. dass nach von 4000 Menschen nur 500 im Ort blieben um das Vieh zu versorgen), die niemals stimmen können. Er sagt Dinge, die sowieso klar sind, z. B. dass die Menschen vor Angst vor den Tschechen flüchteten.

Punkt 7 könnte man genauso wie Punkt 6 streichen, denn auch hier spricht Herr Hoyer von der Vertreibung. Der Lehrer spricht aber vom Jahr 1938. Daher stammen die Zahlen aus dieser Zeit, was Herr Hoyer natürlich nicht weiß. Hier ist Herr Hoyer total auf dem falschen Dampfer.Oder denkt er wirklich, dass die tschechischen Gardisten schon 1938 da waren?

These 8: Der Lehrer schrieb "Nach dem Krieg gingen die Menschen von hier nicht nach Sachsen, sondern nach Bayern, weil sie dort sprachlich sowie mental heimischer waren" - das ist eine Frechheit so die Vertreibung zu beschreiben!

Naja, Herr Hoyer - das wäre es, wenn er denn die Vertreibung gemeint hätte. Er schrieb ja davon, dass sie "gingen" und nicht vertrieben wurden. Daher meint er sicherlich die Spätaussiedler, denn bekanntlich hatten die Vertriebenen ja keine Wahl, wo es sie hinverschlug. Ich kann seine Aussage an meiner eigenen Familiengeschichte bestätigen. Die Schwester meiner Uroma zog es auch als Spätaussiedlerin nach Bayern.



These 9: Die Aussage des Lehrers "Die Sachsen sagten zu den Sudetendeutschen: "Wärt ihr anständige Menschen, hätte man euch nicht vertrieben" habe ich im Leben noch nicht gehört. Danach sind alle Daheimgebliebenen nur anständige Menschen?

Wieder eine freie Interpretation und Worteklauberei. Das hat der Lehrer mit keiner Silbe erwähnt. Und - Herr Hoyer, wenn sie das in ihrem Leben noch nicht gehört haben, dann wundert mich das sehr, da ich das schon oft so gehört habe. Viele damals Vertriebene wurden als Flüchtlinge wie ein lästiges Insekt von den Dorfbewohnern behandelt, das sich in ihrem Haus eingenistet hat, weil es dorthin zugewiesen wurde. Meine Familie erzählte, dass sie als "Gradler" bezeichnet wurden, was so viel wie "Asozialer/nicht anständiger Mensch" bedeutet. Eine Frau aus meiner Familie durfte ihren damaligen Lebensgefährten nicht heiraten, weil sie ein Flüchtlingsmädchen war. Das war bei den Sachsen sowie auch bei den Bayern so.


These 10 (und meiner Meinung der absolute Höhepunkt an Verleumdungen) "Großvater erzählte, hier hing Hitler in jedem Haus" sagte der Lehrer und weiter: "Das hing mit 1918 zusammen. Hätte man den Sudetendeutschen damals mehr Autonomie zugebilligt, wäre das Ganze vielleicht etwas anders verlaufen..." Der Lehrer sagt dies, obwohl er wahrscheinlich während des kommunistischen Regimes nicht anders gehandelt hatte als die Menschen damals.

Aussage von Herrn Hoyer: "Er hat bestimmt als Jungkommunist, der er mindestens nach außen sein musste, an Feiertagen und in der Schule seinem damaligen Präsidenten zujubeln müssen". Der Lehrer war beim Lesen dieser Unterstellung zutiefst gekränkt, denn er war kein Kommunist. Wieder eine solche Behauptung, die völlig aus der Luft gegriffen ist. In der Tschechei war es laut Aussagen des Lehrers schon anders als in der DDR!


Fazit:
Wenn ich mir die Punkte so ansehe, kann ich Herrn Hoyer nur in Punkt 1 Recht geben, wegen der unglücklichen Formulierung. Somit steht es 9 : 1 für den Lehrer. Herr Hoyer beschwert sich in seinem Bericht darüber, dass er vom Autor des Buches keinerlei Antwort erhalten hat. Das wundert mich nicht, ich wüsste auch nicht, was ich mit einem solchen Brief anfangen sollte

Man sieht ganz klar, dass Herr Hoyer viel zu viel schlechtes in die Aussagen des Lehrers interpretiert und sich sogar persönlich davon angegriffen fühlt, was ich absolut nicht nachvollziehen kann. Er stellt sich eigene Fragen und beantwortet diese. Ich finde, dass dieser "Erlebnisbericht" im bekannten Buch wichtige Informationen enthält. Herr Hoyer scheint von diesen Informationen derart überrascht zu sein, dass er bestreitet, dass alles so gewesen ist, obwohl er selbst nicht dabei war. Manchmal kann er auch (siehe "Mobilisierung") den Aussagen des Lehrers anscheinend gar nicht folgen.

Schwach finde ich persönlich noch, dass sich die beiden Herren Hoyer und "der Lehrer" persönlich kennen und Herr Hoyer scheinbar nicht im Stande war, die unstrittigen Fragen mit dem Lehrer selbst zu klären, sondern einen solch bösen Angriff in Artikelform hinterrücks in die Graslitzer Nachrichten zu setzen.

Zwei weitere Aussagen, die direkt aus dem Bericht der GN gegriffen sind, möchte ich zuletzt auch noch kommentieren:

"Nun ist ebendieser Mann auch noch Lehrer. Was wird er wohl seinen Schülern erzählen?" Von ihm habe ich erfahren, dass der Lehrer bei Elternabenden schon von Eltern angegriffen wurde, weil er ihnen von der deutschen Vergangenheit ihres Heimatortes erzählte. Das beantwortet hoffentlich ihre Frage.

"Was wird er, so frage ich mich, unseren Landsleuten ... erzählen, wenn er sie durch unsere ... Heimat führt?" Eine absolute Frechheit diese Frage und auch ein Angriff auf mich, denn ich habe z. B. die letzte Führung durch Silberbach mit organisiert. Wieder einmal beurteilt Herr Hoyer in seiner Frage etwas, von dem er keine Ahnung haben kann, weil er selbst bei keiner dieser Führungen dabei war. Traurig!

Ich weiß nicht, was sie zu all diesen Behauptungen getrieben hat. Ich weiß es nicht und ich will es nicht wissen! Egal, was nun als Antwort kommt, dies wird mein einziges Schreiben dazu sein, denn auf eine Fortsetzung einer Hetzkampagne lasse ich mich nicht herab.

Herzlichst

Ihr Karlwenz Gung - Klingenthal (übrigens ebenfalls Lehrer)


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Hochmuth Karin schrieb am 26. Oktober 2012:
Ich bin froh, dass eine Gegendarstellung erfolgt, denn wenn jemand soviel für seine Heimat tut wie Herr Zapletal, den darf man nicht
ungestraft verleumden. Jari ist Tscheche und hat sich für den Erhalt und die Erinnerung an Silberbach eingesetzt wie kein Anderer.
Durch ihn haben wir die Liebe zu Silberbach entdeckt und dafür kann man ihm nicht genug danken. Jari, Du bist ein großartiger Mensch
und Du kennst Dich in allen Belangen Deiner Heimat aus und kannst das dann wunderbar an Andere weitergeben. Das ist etwas, dass
Dir Deine Mama mitgegeben hat, die Liebe zur Heimat. Ein herzliches Dankeschön an Dich. Gruß, Karin Hochmuth.

Franz Sattler schrieb am 15. November 2012:
Ich habe die Auseinandersetzung zwischen dem Lehrer aus Tschechien und dem Mann aus Sachsen der letzten zwei Ausgaben der
Graslitzer Nachrichten mitverfolgt und bin bestürzt über die Äußerungen des Letzteren. Was dieser dort von sich gibt, könnte bei uns
in Deutschland eine Verleumdungsklage nach sich ziehen.

Auch finde ich, daß der Herr aus Sachsendies eher persönlich mit dem Lehrer klären hätte sollen. So etwas hat in unserer Heimatzeitung
wirklich nichts verloren.

Steffi Richter schrieb am 30. November 2012:

Mein Name ist Richter, Steffi und der vorangegangene Beitrag hat mich arg wütend gestimmt. Ich habe eine Weile gebraucht, die richtigen
Worte zu finden und schreibe deshalb erst jetzt. Letztes Wochenende war ich noch einmal in der Heimat meiner Vorfahren. Ich bin
Herrn Zapletal über alle Maßen dankbar, dass er wieder einmal so freundlich war und sich viel Zeit für mich genommen hat. Ich war
beeindruckt, über welch großes Archiv an historischen Dokumenten er mittlerweile verfügt und er sich auch die Mühe macht, die
Überlieferungen älterer Menschen zu sammeln und sie auch weiter gibt für Interessenten. Zum Glück geht dieses Wissen jetzt nicht
verloren.

Ich versuche auf jeden Fall ihm so gut wie möglich bei seiner Arbeit zu helfen. Auch ich interessiere mich für die damaligen
Lebensumstände. Unterhalte mich viel mit meiner Tante, die quasi eine Zeitzeugin ist. Sie erzählt davon, wie es den Menschen
gegangen ist, nachdem sie auswandern mussten mit wenig Hab und Gut, haben ihre Häuser und den größten Teil des Hausrats
zurückgelassen, mussten in der "neuen Heimat" erstmal betteln gehen, um aufgenommen zu werden. Sie konnten sich teilweise
nicht entscheiden, wo sie hingehen durften. Sie sind in einen Zug verfrachtet worden und sind z. B. in Magdeburg wieder "ausgeladen
worden".

Auch weiß ich von Deutschen, die in Tschechien zurück geblieben sind, weil sie einen tschechischen Vater oder Mutter hatten,
dass sie Willkür erfahren haben und ihre deutsche Sprache nicht mehr sprechen durften usw. Wenn man sich die Mühe macht,
dann gibt es auch im Netz sehr viele Berichte über die Verhältnisse in der vergangenen Zeit. Ich muss sagen, mich haben alle
Berichte erschüttert. Ich finde deshalb beschämend in der heutigen Zeit solche Diskussionen führen zu müssen.

Hat man aus der Vergangenheit nicht gelernt? Wäre es nicht besser, nachdem endlich die Grenzen aufgegangen sind, sich
persönlich zu treffen und sich über geschichtliche Zusammenhänge zu unterhalten?

Ich bitte um Entschuldigung. Ich habe frei von der Leber weg gesprochen, wie man so schön sagt. Die Themen sind nur
angeritzt. Mir geht es nur um das Prinzip.